Die 6 Qualitätskriterien bei Rindfleisch
1. Qualitätskriterium Fleischreifung
Frischfleisch ist gut, gereiftes Frischfleisch noch besser. Speziell bei Rindfleisch, das zum Kurzbraten, Grillen oder Backen verwendet werden soll, ist der natürliche Reifungsprozess, neudeutsch auch „Aging“ genannt, essentiell für die Entwicklung seines vollen Aromas und vor allem für die Entspannung der Fleischfasern, die dadurch um einiges zarter und mürber werden. Diese Reifung kann trocken erfolgen (Dry Aging), also durch das traditionelle „Abhängen“ von Schlachthälften oder Teilstücken am Haken bei kontrollierter Luftfeuchtigkeit und nur wenig über 0 °C. Oder aber schon zerlegt in Vakuumpackungen (Wet Aging), was heutzutage die verbreitetste Methode ist, da hier der Gewichtsschwund durch die Abtrocknung und auch das Risiko der Verkeimung deutlich geringer sind als beim Dry Aging. Nachteil dieser anaeroben Reifung (also unter Ausschluss von Sauerstoff) kann bei Überlagerung die Entwicklung von unerwünschten, etwas „sauerkrautigen“ Geschmacksnoten sein. Zu lange Reifung von Rindfleisch ist jedoch eher selten ein Problem, zu kurze dagegen häufig.
2 . Qualitätskriterium pH-WERT
Ein Ziel ist die Vermeidung der sogenannten Fleischfehler durch pH-Wert-Messungen und tierärztliche Kontrolle nach der Schlachtung. Dadurch können Problem- Schlachtkörper einwandfrei identifiziert und aussortiert werden, dem Kunden erspart dies beim Einkauf unangenehme Überraschungen wie beispielsweise DFD und Cold Shortening.
pH36-Wert
Dieser wird nach 36 Stunden und einer Kerntemperatur von mindestens 7 °C gemessen. Er wird mit einer Sonde des pH-Wert-Messgerätes bei einer Rinderhälfte zwischen 9. und 13. Rippe gemessen. Der pH36-Wert sollte kleiner oder gleich 5,8 sein.
Kerntemperaturmessung
Die Kerntemperatur ist mit einem Temperaturmessgerät in der Mitte der dicksten Stelle des Schlachtkörpers zu messen. Die dickste Stelle beim Rind ist die Rinderkeule. Das Erreichen der vorgegebenen Kerntemperatur von max. 7 °C ist die Grundbedingung für die pH36-Messung beim Rind.
DFD-Fleisch
DFD ist die Abkürzung für dark (dunkel), firm (fest) und dry (trocken). Dieser Fleischfehler wird vom Konsumenten auch als sogenanntes „Schuhsohlenfleisch“ bezeichnet. Bei Rindfleisch wird DFD-Fleisch auch als „dark cutting beef” (DCB) bezeichnet. Das Fleisch ist fest, die Oberfläche ist trocken, klebrig oder auch schmierig. Es hat ein muffiges Aroma und ist nach der Zubereitung zäh. Wegen des hohen End-pH-Wertes fällt der Effekt der „Eigenkonservierung“ weg. Das Fleisch ist besonders anfällig für mikrobiellen Verderb und nicht geeignet für eine Reifung.
Cold Shortening
Eine zu schnelle Abkühlung des Schlachtkörpers nach der Schlachtung auf unter 12 °C kann zu einem starken Anstieg der Zähigkeit des Fleisches führen, wenn die Energiereserven (Glykogen) des Muskels noch nicht vollständig abgebaut und in Milchsäure umgewandelt worden sind – das dauert beim Rind etwa 6-12 Stunden nach der Schlachtung. Eine Vorkühlung von 4-5 Stunden bei Temperaturen zwischen 14 und 19 °C und eine anschließende intensive Kühlung wirken sich daher positiv auf die Zartheit des Fleisches aus.
3 .Qualitätskriterium Tierkategorie
Die Basisqualität in Deutschland ist das sogenannte Jugbullenfleisch, das an seiner kräftigen roten Farbe zu erkennen ist. Die männlichen, unkastrierten Tiere werden dafür mit einem Alter von unter 20 Monaten und einem Schlachtgewicht (warm) von mind. 335 kg bis max. 450 kg geschlachtet. Dieses geschmacklich frische, oft recht magere Rindfleisch eignet sich hervorragend für viele Zubereitungen, wo Zartheit und Marmorierung nicht an erster Stelle stehen – also für Siedefleisch, Schmorgerichte und Langzeitgarmethoden wie BBQ oder Sous-Vide.
Ochsenfleisch hingegen ist meist deutlich stärker marmoriert, noch ausgeprägter in seinem typischen Rindfleischaroma und wird auch gerne länger zum Kurzbraten gereift. Es stammt von kastrierten männlichen Rindern mit einem Alter von unter 30 Monaten und einem Schlachtgewicht (warm) von max. 450 kg, was auch die bessere Fetteinlagerung im Muskel erklärt. Viele Kenner bevorzugen dieses Fleisch für kräftige Siedefleischgerichte und besonders charaktervolle Steaks.
Das Fleisch von Färsen – also von jungen weiblichen Rindern, die noch nicht gekalbt haben – zeichnet sich sowohl durch eine gute Fettmarmorierung als auch durch besonders zarte Fleischfasern aus. Deswegen ist es oft die erste Wahl, wenn es um Steaks vom Grill oder aus der Pfanne geht. Färsen sollten mit einem Alter von über 12 und unter 24 Monaten, mit einem Schlachtgewicht (warm) von max. 360 kg geschlachtet werden. Das sorgt für absolut hochwertige Fleischqualität. Preislich liegt diese Top-Qualität daher berechtigterweise auch im oberen Bereich des Rindfleischsortiments.
Das Jungrind wiederum ist eine Kategorie irgendwo zwischen Kalbfleisch und Rindfleisch, die vor allem jene Kunden anspricht, die einen milderen Rindfleischgeschmack bevorzugen und besonders zarte Fasern mögen. Aufgrund dieser typischen Eigenschaften muss Jungrindfleisch auch nicht sonderlich gereift werden. Das Schlachtalter liegt bei älter als 8 und jünger gleich 12 Monaten, das Schlachtgewicht (warm) muss höher als 175 kg sein.
4. Qualitätskriterium Rasse / Genetik
Besonders hinsichtlich Fleischfaserung, Marmorierung und Größe der Teilstücke spielt die Rasse unter anderem eine bestimmende Rolle für die Rindfleischqualität. Das liegt nicht so sehr an den grundsätzlichen Geschmacksunterschieden, die meist weit mehr von der Fütterung als von der Genetik beeinflusst werden, sondern hauptsächlich am unterschiedlichen Wachstum der Tiere. Kleinrahmige Rassen wie Angus und Limousin sind nämlich „frühreif“, beginnen also auch früher Fett im Muskel einzulagern, was wiederum der kulinarischen Qualität ausgesprochen zuträglich ist. Andere Rassen wiederum erzielen ein besonders schnelles und kräftiges Muskelwachstum.
Über die Stärken und Schwächen der verschiedenen Züchtungen weiß der Metzgermeister bestens Bescheid und sichert sich die Tugenden einzelner Rassen durch gezielte Einkreuzungen. Die Basis dafür sind meist bodenständige Rassen – allen voran das Fleckvieh, eine klassische Mehrnutzungsrasse, die heute das deutsche Rindfleischangebot dominiert. Die Kreuzung einer autochthonen Fleckviehkuh mit einem Fleischrassestier – zumeist Charolais, Limousin oder Angus – ergibt die sogenannte Gebrauchskreuzung. Durch die erneute Einkreuzung der Fleischrasse entsteht in der Folge die sogenannte „Verdrängungskreuzung“, wie sie sehr oft in der Mutterkuhhaltung zu finden ist. Äußerlich dominieren da oft noch die Eigenschaften des Fleckviehs, während genetisch oft schon die Fleischrasse die Oberhand hat.
5. Qualitätskriterium Haltung / Fütterung
Wie kaum ein anderes Produktionskriterium bestimmt das Futter die Qualität von Rindfleisch. Denn damit werden nicht nur der Geschmack von Fleisch und Fett, sondern auch deren Textur und Konsistenz maßgeblich beeinflusst. Bei der Fütterung mit besonders hoher Getreideration wird nicht nur das Auflagefett weiß und kernig fest, sondern auch das Fleisch selbst hat durch den höheren Schmelzpunkt eine wesentlich bessere Formstabilität in der Pfanne und am Grill. Speziell die sogenannte „Endmast“, bei der viel energiereiches Kraftfutter verabreicht wird, bringt hier die gewünschten Erfolge bei der Fetteinlagerung, sprich Marmorierung im Fleisch. Zudem stammen die weiblichen Kälber hauptsächlich aus der Mutterkuhhaltung, wo sie viel Bewegungsfreiheit haben und im Herdenverband gemeinsam mit ihren Altersgenossen aufwachsen können. Bis zum Absetzen werden sie von der eigenen Mutter gesäugt und können schon früh mit der Aufnahme von Grund- und Kraftfutter beginnen. So wird eine optimale Nährstoffversorgung garantiert, die Tiere bleiben gesund und entwickeln sich besonders gut, was sich wiederum positiv auf die Fleischqualität auswirkt.
6. Qualitätskriterium Marmorierung
Fett ist rehabilitiert. Längst wissen Kenner, dass auch bei Rindfleisch die intensive Marmorierung des Steak keine gesundheitliche Bedrohung, sondern die Voraussetzung für echten Hochgenuss ist. Denn es hält das Muskelfleisch saftig und hinterlässt dort viel Aroma – auch wenn es am Grillrost ausgebraten wurde. Vom Fachmann wird der Fettgehalt von Fleisch folgendermaßen unterschieden: Das Auflagefett ist am ehesten entbehrlich und kann bei Bedarf reduziert, sollte aber nie gänzlich entfernt werden, denn es schützt das Fleisch beim Braten vor dem Austrocknen und ist beim Kochen auch für die Formhaltigkeit des Teilstückes verantwortlich. Das intermuskuläre Fett ist in dicken Adern zwischen den einzelnen Muskelpartien eingelagert – wie etwa das Fettauge beim Ribeye Steak – und spendiert bereits viel Aroma. Das intramuskuläre Fett schließlich, die sogenannte Marmorierung, ist jenes, das der Experte besonders schätzt. Denn es ist nicht nur für den Geschmack essentiell, sondern macht das Steak auch saftiger und mürber.